6. Juli 2017 – ADVOCACY

VERLEIHUNG DES HÁWAR.help MENSCHENRECHTSPREISES

Die Vereinsvorsitzende und Gründerin Düzen Tekkal organisierte mit ihrer Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V. in Kooperation mit der CDU/CSU- Fraktion unter Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel die erste Internationale HÁWAR.help Frauenkonferenz mit dem Titel „Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe. Schweigen Beenden. Überlebende stark machen.“

Diese fand am 29.06.2017 um 14 Uhr im Sitzungssaal der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag statt.
Im Anschluss an die Konferenz lud HÁWAR.help zur Verleihung des HÁWAR.help-Menschenrechtspreises ein, den die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger an die muslimische Aktivistin und Richterin Nusreta Sivac und die IS-Überlebende Najlaa Matto überreichte.

Gemeinsam mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bot HÁWAR.help im Deutschen Bundestag am 29.06.2017 ein Forum, das den Überlebenden sexueller Gewalt eine Stimme gibt. Selbstbestimmt brachen die Frauen das Schweigen und befreiten sich damit von dem tabuisierenden Stigma, mit dem sie leben müssen.

Die Gründerin und Vorsitzende von HAWAR.help e.V. Düzen Tekkal, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion Volker Kauder begrüßte in seiner Eröffnungsrede mit Salwa Rasho, Nusreta Sivac und Ruth Barnett die Frauen, die öffentlich ihre Geschichten erzählen und betonte, wie wichtig dieser Schritt sei: „Ich bin tief berührt und beeindruckt, dass sie alle den Mut gefunden haben, den es dazu braucht, Tabus zu überwinden.“ Dabei würdigte er die Arbeit von HÁWAR.help und bedankte sich bei der Vereinsvorsitzenden Düzen Tekkal für ihren Einsatz: „Es sind gerade Frauen, die die Dinge zum Guten wenden können. Im Großen wie im Kleinen steht sie für ein unbedingtes Eintreten gegen den Extremismus, für die Werte unserer Republik, für das Grundgesetz.“

Systematische sexuelle Gewalt gegen Frauen ist eine Waffe, die als historische Konstante in der ganzen Welt geschieht. Die Taten sind „eine Strategie aus Terror und Tod“, erläutert die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger und ergänzt: „Es ist unsere Pflicht etwas zu unternehmen und den Opfern zu helfen.“

Bianca Jagger Founder, President and Chief Executive, Bianca Jagger Human Rights Foundation Council of Europe Goodwill Ambassador

Doch für die Frauen ist es schwer, über das erlittene Grauen zu sprechen. Die zerstörerischen Auswirkungen blieben als Schatten der Gesellschaft auch über Generationen hinweg als zerstörerische Kraft wirksam, betonten die UN-Sonderbeauftragte Ms. Pramila Patten und die Holocaust-Überlebende Ruth Barnett. Letztere wies darauf hin: „Denial is toxic (Das Verleugnen ist Gift)“, und erzählte, dass ihre Mutter das Geheimnis mit in ihr Grab genommen habe.

Moderatorin Tanja Samrotzki, Muslimin aus Bosnien Nusreta Sivac, Holocaust-Überlebende Ruth Barnett, Jesidin und IS- Überlebende Salwa Rasho, Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Karin Maag MdB, Autorin Freya Klier

Die Strafverfolgung ist schwer und viele Opfer schweigen aus Angst vor Verurteilungen und einem Ausschluss aus der Gemeinschaft. „Das perfide der Tat ist, dass es das einzige Verbrechen ist, bei dem das Stigma der Tat statt beim Täter am Opfer haften bleibt“, machte der Diplom-Psychologe Jan Ilhan Kizilhan deutlich. Viele Überlebende begingen Selbstmord. Der anwesende Richter am Internationalen Strafgerichtshof Prof. Dr. Bertram Schmitt ergänzte: „Die Strafverfolgung ist schwer, doch umso wichtiger ist es, dass die Überlebenden ihr Schweigen brechen und die Täter benennen.“

Tanja Samrotzki, Prof. Dr. Betram Schmitt, Düzen Tekkal, Michael Brand MdB, Jan Ilhan Kizilhan

„Jeder einzelne Fall ist eine menschliche Tragödie“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede. „Dies ist kein abstraktes Thema, sondern existiert real“. Dabei richtete sie das Wort an UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad und machte auf das Schicksal der Jesiden aufmerksam. Merkel stellte heraus, dass es Ausdruck mangelnder Gleichberechtigung, auch bei uns in Deutschland, sei, dass Frauen immer noch Zielscheibe von Aggressionen seien. Auch Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller machte deutlich, wie sehr ihn das Schicksal der aus IS-Gefangenschaft entkommenen Frauen beeindruckt.

Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller

„Statt über das zehnte Resozialisierungsprogramm für IS-Kämpfer zu sprechen müssen wir endlich die Opfer stärken“, appellierte Journalistin und Vereinsgründerin Tekkal an das Auditorium.

„Diese Frauen und ihre Geschichten sind die beste Waffe gegen Extremismus – auch in Deutschland. Das Empowerment muss sowohl in der hiesigen als auch in der Herkunftskultur dialektisch erfolgen. Wir können die Frauen ertüchtigen, indem wir dafür sorgen, dass sie Bildung und Arbeit bekommen“. Dies bestätigte auch Kanzlerin Merkel in ihrer Rede, mit den Worten: „Je mehr diese Aspekte gestärkt werden, desto größer ist die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.“

UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad, UN-Generalsekretärin Dr. Pramila Patten, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vorsitzende HAWAR.help Düzen Tekkal, IS-Überlebenden Najlaa Matto, Bosnische Aktivistin und Richterin Nusreta Sivac

Diesen Ansatz verfolgt auch HÁWAR.help mit der Konzipierung des neuen Projekts BACK TO LIFE, das Frauen im Irak innerhalb emanzipatorischer Bildungs- und Arbeitsmaßnahmen unterstützen soll. Dieses Projekt wurde im Anschluss an die Konferenz bei der Menschenrechtspreisverleihung des HÁWAR.help Human Rights Award 2017 vorgestellt, denn nur eine wirtschaftliche Unabhängigkeit bildet die Voraussetzung dafür, dass kulturell gewachsene und begründete Unterdrückung von Frauen beendet wird.

Unterstützt wird die Umsetzung von der Findelkind-Sozialstiftung, deren Vertreter Prof. Dr. Robert Schmucker und Renate Schmucker an diesem Abend einen Scheck über 25.000,00 EUR an HÁWAR.help e.V. überreichte.

Düzen Tekkal, Michael Brand MdB, Katie Gallus, Dr. Pramila Patten, Nusreta Sivac, Najlaa Matto, Prof. Dr. Robert Schmucker, Bianca Jagger, Deidre Berger, Dr. Günes Murat Tezcur, Ruth Barnett, Renate Schmucker (Copyright: HAWAR.help)

Stellvertretend für alle Frauen, die Opfer von sexualisierter Gewalt werden, wurde die 28-jährige Jesidin Najlaa Matto mit dem Award ausgezeichnet, der am 29.06.2017 in Anschluss an die Konferenz verliehen wurde. Die Jesidin war über ein Jahr in Gefangenschaft der Terrormiliz. Mehrfach wurde sie auf Sklavenmärkten verkauft, hat 37 Familienangehörige verloren, darunter Eltern und Geschwister. Sie ist eine der von HÁWAR.help betreuten Frauen und berichtet über das, was ihr angetan wurde.

Der zweite Award wurde an die bosnische Aktivistin und Richterin Nusreta Sivac vergeben. Selbst Opfer der frauenverachtenden Kriegswaffe Vergewaltigung während des Kosovokrieges in den 1990er-Jahren, brachte Sivac ihre Peiniger und viele andere Täter nach dem Krieg vor Gericht und sagte gegen sie aus. Bis heute kämpft die Muslimin unermüdlich dafür, dass die Verbrechen des Krieges benannt werden und bis heute lebt sie in der Stadt, in der diese Kriegsverbrechen an ihr begangen worden sind.

Dabei begegnet sie auch ihren Tätern. Auf die Frage danach, warum sie sich das antut, antwortet Sivac: ,,Sie sollen wissen, dass ich überlebt habe. Indem sie mich sehen, werden sie jeden Tag an ihre Taten erinnert. Wenn ich die Vergewaltigung in den Lagern überlebt habe, überlebe ich auch das.“

Beide Frauen geben den Geschichten der Überlebenden öffentlich ein Gesicht und werden durch ihr öffentliches Sprechen zum Vorbild dafür, das Schweigen über diese Verbrechen zu brechen.

HÁWAR.help-Menschenrechtspreisträgerinnen 2017 Nusreta Sivac und Najlaa Matto

Es freut uns sehr, dass die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger als Laudatorin und die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten Dr. Pramila Patten als Impulsgeberin HÁWAR.help an diesem Tag unterstützt haben. Für die UN-Sonderbotschafterin war dies ihre erste Reise nach Europa in ihrer neuen Funktion.

UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, Dr. Pramila Patten auf der HÁWAR.help Menschenrechtspreisverleihung 2017

Die Entscheidung über die Preisträger des Awards, der in diesem Jahr für den Kampf gegen sexuelle Gewalt in Kriegen vergeben wurde, fiel das HÁWAR.help-Komitee.

Mit der Unterstützung des Traumapsychologen Dr. Jan Ilhan Kizilhan, der Direktorin von AJC Berlin Deidre Berger, der Journalistin Antje Schippmann, Dr. Günes Murat Tezcür, der den Lehrstuhl für politische Studien an der University of Central Florida besetzt, sowie dem Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Brand, war das Komitee mit großer fachlicher Expertise besetzt.

Direktorin von AJC Berlin Deidre Berger mit Dr. Günes Murat Tezcür, der den Lehrstuhl für politische Studien an der University of Central Florida im Gespräch mit Moderatorin Katie Gallus

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V.